Neuigkeiten aus Australien

Sigi Arnade (Rollstuhlfahrerin) und Günter Heiden (Fußgänger) sind von Juni bis Dezember 2003 sechs Monate lang durch Australien gefahren. Über ihre Recherchentour im vorigen Jahr und ihre Pläne für dieses Jahr haben sie uns in unserer Märzsendung ( Studiosendung / " Neue Wege, neue Ziele") berichtet. Ihre Erlebnisse haben sie uns monatlich per e-mail geschildert.

"Früher hat Peter immer die Vorhänge vorgezogen, wenn er gespült hat", berichtet Claudia aus Wuppertal, die seit sieben Jahren mit ihrem australischen Mann Peter in dessen Heimat lebt. Wir unterhalten uns über Unterschiede zwischen Australien und Deutschland und sind uns einig, dass die traditionelle Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern hier noch viel mehr Gültigkeit hat. Peter ist einer der wenigen australischen Männer, die wir bei "Frauenarbeiten" wie Kochen oder Spülen beobachtet haben.

Aber egal, ob Frauen oder Männer, alle Australier lieben ihre Natur und ziehen am Wochenende oder in den Ferien zum Campen in die Natur- und Nationalparks. So haben wir auch Claudia und Peter kennengelernt. Wir fahren von einem Nationalpark zum anderen und denken manchmal, dass wir alle Naturbesonderheiten dieses Kontinents allmählich kennen müssten. Aber immer wieder sind wir begeistert von der Einmaligkeit des Parks, in dem wir uns gerade befinden.

Im Mungo Nationalpark im Outback von New South Wales (NSW) bestaunten wir die "Walls of China", eine 30 Kilometer lange halbmondförmige Düne inmitten der spärlich bewachsenen Wüste. Die inzwischen durch Lehm und Ton verhärteten Sanddünen markieren das Ostufer eines ehemaligen Sees, der nach der letzten Eiszeit ausgetrocknet ist. Aus der Nähe sind bizarre Formen wie Türme, Säulen und Pfeiler in den verschiedenen Farben der unterschiedlichen Gesteine zu betrachten, aus der Ferne erinnert das Naturwunder tatsächlich an eine endlose Mauer.

Als Oase im trockenen Umland erlebten wir den Kinchega Nationalpark, ebenfalls im Outback von NSW. Die Seen sind zwar wegen der anhaltenden Dürre ausgetrocknet, aber der Darling River, der das Gebiet durchquert, fließt noch und lockt unzählige Wasservögel an. Als ich eine Schlange sah, die sich senkrecht aus dem Wasser erhebt und sich so fortbewegt, erschrak ich zunächst. Inzwischen wissen wir, dass es sich um einen Schlangenhalsvogel handelt, dessen Körper beim Schwimmen ganz von Wasser bedeckt ist.

Der Darling River mündet in den größten Fluss Australiens, den Murray, der in den australischen Alpen im Südosten von NSW entspringt, die Grenze zwischen NSW und Victoria bildet und in Südaustralien in den Ozean mündet. Entlang des Murray besuchten wir verschiedene Parks, in denen sich der Fluss labyrinthartig aufteilt, ähnlich wie in Deutschland die Spree im Spreewald. Diese Feuchtgebiete haben wegen ihres besonderen ökologischen Wertes internationale Bedeutung. Hier endlich sahen wir auch ein Schnabeltier, ein eierlegendes Säugetier. Es lebt im Wasser und ist sehr scheu, so dass unsere vielfältigen vorigen Versuche, eines zu Gesicht zu bekommen, immer scheiterten.

In Norden von Victoria stießen wir auf die "Pink lakes". Wir wissen, dass die Australier gerne übertreiben, und waren umso beeindruckter, dass diese Salzseen tatsächlich rosa-violett leuchten - Algen produzieren Farbstoffe, die das Salz färben.

Zurück an der Ostküste von NSW konnten wir in Port Macquarie auf einem erhöhten 1,3 Kilometer langen Holzbohlenweg den Regenwald erleben. In der 200-jährigen Geschichte der australischen Besiedlung durch Europäer, sind 80 Prozent des Regenwaldes, der einst weite Teile des Kontinents bedeckte, abgeholzt worden. Was übrig blieb, wird nun weitgehend geschützt. Wir lernten die Würgefeigen kennen: Ihr Samen wird durch Vögel in die Krone anderer Bäume gebracht. Daraus wächst eine Pfanze, die ihre Luftwurzeln zur Erde schickt, wo sie im Boden Halt finden. Allmählich "erwürgt" die Feige den Wirtsbaum, der langfristig abstirbt - die Würgefeige lebt weiter. Wir konnten verschiedene Formen und Stadien dieses Naturwunders aus der Nähe betrachten.

Reich an Regenwald ist das größte zusammenhängende Gebiet unberührter Wildnis in NSW, das sich als Wollemi Nationalpark nur rund 100 Kilometer von der Küste entfernt befindet. Typisch für diesen Park sind auch die sogenannten Felspagoden, die auf einen ehemaligen Ozean schließen lassen. Wir betrachteten sie vom Paddelboot und von einem kurzen rollstuhlgeeigneten Rundweg aus. Der Weg führt auch zu Malereien der australischen Ureinwohner.

Von hier waren es nur zwei Autostunden bis Sydney. Dort hatten wir bei der Nationalparkverwaltung einen Termin, um über barrierefreies Naturerleben zu sprechen. Wir waren davon beeindruckt, wie systematisch man hier Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in alle Planungen einbezieht. So werden Naturvideos grundsätzlich untertitelt, die Homepage der Nationalparkverwaltung ist barrierefrei auch durch sehbehinderte und blinde Menschen nutzbar, und alle neuen Toilettenanlagen enthalten eine barrierefreie Kabine. Besonders fasziniert waren wir von dem umfangreichen und detaillierten "Disability Action Plan" zur Umsetzung des australischen Gleichstellungsgesetzes. Alle staatlichen Stellen sind verpflichtet, solche Pläne zu erstellen. Wir sind überzeugt davon, dass entsprechende Bestimmungen auch die Gleichstellungsbemühungen in Deutschland voranbringen könnten.

Einige Tage später, am 24. November, sollte in Australien eine partielle Sonnenfinsternis zu sehen sein. Die Wettervorhersage für die Ostküste ließ uns jedoch erschauern: Was hätten wir davon, die genaue Uhrzeit zu kennen und Schweißgläser für den Augenschutz besorgt zu haben, wenn der Himmel im entscheidenen Augenblick wolkenverhangen ist? Also begaben wir uns wieder westwärts ins Hinterland. Hin und wieder holten wir uns in einem Internet-Café die neuesten Wetterdaten und stellten immer wieder fest, dass wir noch weiter mussten. Letztlich sind wir 1.000 Kilometer gefahren, und am Abend vor dem Ereignis war vor lauter Wolken kein Stern zu sehen. Umso größer die Freude, als uns am nächsten Morgen ein strahlend blauer Himmel erwartete. Eineinhalb Stunden lang beobachteten wir, wie der Mond sich von oben links nach Mitte rechts teilweise vor die Sonne schob, so dass die Sonne durch unsere Schweißgläser nicht als runde Scheibe, sondern als Sichel sichtbar war.

In den australischen Medien wurde dieses Ereignis, das sich in Australien in den nächsten Jahren nicht wiederholen wird, kaum beachtet. Die Nation war gerade im Rugby-Rausch, denn Australien bestritt das Endspiel im World Cup gegen Großbritannien. Sowieso hat Sport hier einen noch viel höheren Stellenwert als bei uns. Als wir eines Dienstags einen Internetzugang suchten, stießen wir nur auf verschlossene Türen. Bald konnten wir das Rätsel lösen: Es war der Tag des Melbourne Cup, des weltweit höchstdotierten Pferderennens, das zum 143. Mal gestartet wurde. Solch ein Ereignis ist hierzulande ein Feiertag.

Immerhin war in diesem Jahr erstmals ein weiblicher Jockey dabei. Wir konnten es kaum glauben, dass der Melbourne Cup also 142 Mal frauenfrei stattgefunden hat. Schade, dass die Australier bei der Gleichberechtigung nicht so fix sind, wie beim Abholzen ihres Regenwaldes!

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