Neuigkeiten aus Australien

Sigi Arnade (Rollstuhlfahrerin) und Günter Heiden (Fußgänger) sind von Juni bis Dezember 2003 sechs Monate lang durch Australien gefahren. Über ihre Recherchentour im vorigen Jahr und ihre Pläne für dieses Jahr haben sie uns in unserer Märzsendung ( Studiosendung / " Neue Wege, neue Ziele") berichtet. Ihre Erlebnisse haben sie uns monatlich per e-mail geschildert.

"Whereever you are in Australia, you´re in paradise" (Wo auch immer du in Australien bist, bist du im Paradies), schreibt Bruce M. Cameron, rollstuhlfahrender Autor von "Easy Access Australia" (siehe unten). Das würde ich als typisch australischen Enthusiasmus bezeichnen, es aber nach sechs Monaten in Down Under ähnlich formulieren: Australien ist ein phantastisches Urlaubsland mit unzähligen Highlights.

Ehe man die Highlights jedoch genießen kann, muss man die riesige Entfernung ans andere Ende der Erde überwinden. Langstreckenflüge sind für jeden unangenehm, für behinderte Menschen sind sie ein echter Hazard. "Hazard" bedeutet laut Englischlexikon "Wagnis" oder "Gefahr". Nach unserer Erfahrung wird dieser Begriff - zumindest in Australien - für jede Art von Unannehmlichkeit verwendet. Es ist aber mehr als unangenehm, wenn man als behinderter Mensch auf einem Langstreckenflug zur Toilette muss, was bei über 12-stündigen Flügen unvermeidbar ist. Ich habe es als entwürdigend erlebt, die nur durch einen Vorhang abgetrennte viel zu enge Kabine benutzen zu müssen. Jedesmal schob versehentlich eine beflissene Stewardess oder ein unwissender Passagier den Vorhang beiseite, so dass ich in der erleuchteten Toilettenkabine den Blicken der Mitreisenden im dunklen Flugzeug ausgesetzt war. Dabei hatte ich noch Glück, dass die Qantas-Maschinen überhaupt über eine sogenannte "Handicapped Toilet" verfügten.

In Australien selbst erlebten wir dann überwiegend Highlights. Dazu gehörte es für uns vor allem, draußen in der Natur zu leben, die Seele baumeln zu lassen und Tiere zu beobachten. Wie Relikte aus einer vergangenen Zeit wirkten die Krokodile auf uns. Besonders niedlich und in freier Wildbahn schwer zu beobachten, fanden wir Koalas und Wombats. Letztere sind nachtaktiv, etwa so groß wie Koalas und sehen auch etwas bärenartig aus. Sie leben in einem Höhlensystem unter der Erde und begeben sich abends auf Futtersuche an die Oberfläche. Wir konnten sowohl Koalas als auch Wombats beobachten und fotografieren. Weniger niedlich, sondern eher furchteinflößend, sind die australischen Schlangen. Davon sind uns einige harmlose Exemplare und zwei hochgiftige Vertreter begegnet. Nach Aussage von Einheimischen hat man im Falle eines Bisses einer giftigen Schlange aber immer noch genügend Zeit, sich in ein Krankenhaus zu begeben, um sich ein Gegengift verabreichen zu lassen. Einen breiten Raum unserer Tierbeobachtungen nahm die australische Vogelwelt ein, in der wir uns inzwischen recht gut auskennen und schon akustisch das Quietschen der Galahs vom Krächzen anderer Kakadus unterscheiden können. Das australische Tier schlechthin, das Känguru, haben wir so häufig gesehen, dass es im Tagebuch bald nicht mehr erwähnt wurde.

Die australische Tierwelt sorgte aber auch für einige Hazards auf unserer Fahrt: Günter wurde fünfmal, ich einmal von einer Zecke gebissen. Beim ersten Mal sind wir noch zum Arzt gegangen, der uns aber auch nicht weiterhelfen konnte. Danach haben wir die Zecken mit Ölspray besprüht, zehn Minuten gewartet und sie dann mit einer Pinzette gegen den Uhrzeigersinn herausgedreht. Inzwischen wissen wir, dass die Ölbehandlung nicht optimal ist, da Zecken im Todeskampf noch infektiöses Material ausstoßen können, aber wir haben die Plagegeister mit dieser Methode in Gänze entfernen können, und bislang blieben wir auch von unangenehmen Folgeerscheinungen verschont.

Fast noch schlimmer waren die Sandflies, die in Gebieten mit Mangrovensümpfen und bei schwüler Witterung besonders häufig sind. Dagegen schützen weder Insektenschutzmittel noch Moskitonetze. Wir sahen tagelang aus wie Streuselkuchen und litten unter fürchterlichem Juckreiz.

Zurück zu den Highlights: Dazu zählen auch die vielen Aktivitäten in der Natur, das Schnorcheln über Korallenriffen, die Paddelausflüge auf Wasserlöchern im Outback oder idyllischen Flüssen in Küstennähe, die Ausflüge mit dem Rolli-Bike am Strand oder in den Regenwald.

Solange diese Touren auf Sand oder Holzbohlenwegen stattfanden, gab es keine Probleme. Da wir aber auch einige Ausflüge mit und ohne Bike über ziemlich holprige Naturwege machten, hatte ich in dem halben Jahr achtmal einen Platten am Rollstuhl. Am Ende konnten wir richtig schnell Schläuche wechseln und Reifen flicken. Einen größeren Hazard stellten für uns zunächst die Platten am Bushcamper dar, als wir uns noch mit dem Auto und dem Wagenheber vertraut machen mussten. Insgesamt haben wir viermal ein Hinterrad wechseln müssen. Glücklicherweise stand der Wagen beim einzigen nächtlichen Reifenwechsel auf einem gut beleuchteten Parkplatz.

Bei Nacht erfreute uns als Highlight der südliche Sternenhimmel. In den sechs Monaten konnten wir alle Tierkreissternbilder zwischen Jungfrau und Stier sowie die Planeten Venus, Merkur, Mars und Saturn mit bloßem Auge betrachten. Inzwischen haben wir mit Erstaunen festgestellt, dass es auch über Berlin einen Sternenhimmel gibt und werden unsere Himmelsbeobachtungen sicherlich fortsetzen.

Nach rund 22.000 Kilometern durch Australien und dem Besuch von 83 National- und Naturparks sitzen wir nun im winterlichen Deutschland und wünschen uns, dass von den wunderschönen sechs Monaten in Down Under mehr bleibt als Fotos und positive Erinnerungen. Wir versuchen, etwas Australien in unseren Alltag zu integrieren. Dort geht alles etwas langsamer, und auch die arbeitende Bevölkerung strahlt Gelassenheit aus. Entsprechend wollen wir weniger und ruhiger arbeiten und die Verbindung zu der Welt in und um uns, die wir in Australien so deutlich gespürt haben, nicht abreißen lassen. Und eines steht jetzt schon fest: Wir fahren wieder nach Australien - ins Paradies!

Tipps zur Planung einer Reise nach Down Under

Bruce M. Cameron: Easy Access Autralia, 2. Auflage, Oktober 2000. ISBN 0-9557510-1-X.
Der Autor ist zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen und beschreibt die Besonderheiten der australischen Regionen sowie die Zugänglichkeit der Attraktionen. So erfuhren wir, mit welchem Anbieter wir am leichtesten den Tagesausflug zum Korallenriff oder die Tour zur Walbeobachtung machen konnten. Auf den letzten 150 Seiten des 500 Seiten starken Buches sind Grundrisse und Beschreibungen der Nasszellen von Hotels, Motels und Appartements nachzulesen. Das war für uns besonders hilfreich, weil wir gezielt ein Zimmer für die erste Nacht nach der Ankunft in Australien buchen konnten. Zu beziehen ist das Buch am besten über den Autor: Bruce M. Cameron, PO Box 218, Kew Victoria 3101, Australia. E-mail: bruceeaa@vicnet.net.au Homepage: www.easyaccessaustralia.com.au

Otmar Lind, Andrea Niehues: Australien: Die schönsten Nationalparks. Reise Know-How, Edgar Hoff Verlag, 2. Auflage, Rappweiler 2000. ISBN 3-923716-12-5.
Dieses handliche Buch war unterwegs unsere "Bibel": Über 100 Parks werden vor allem im Hinblick auf ihre besondere Flora und Fauna beschrieben. Zur Bestimmung von bestimmten Arten ist auch die speziell auf Pflanzen und Tiere bezogene deutsch-englische Übersetzungshilfe sehr hilfreich. Teilweise finden sich - eher zufällig - Hinweise auf Wege für rollstuhlfahrende oder blinde BesucherInnen im Text. Nach unserer Erfahrung ist es sinnvoll, die einzelnen Parks, die man besuchen möchte, anzuschreiben, die eigenen Bedürfnisse zu schildern und um Informationen zu bitten. So haben wir Tipps für schöne Wanderungen oder Paddeltouren bekommen, die uns sonst entgangen wären. Die Adressen der Parks findet man in diesem Buch.

Ron und Viv Moon: Der große Atlas der australischen Nationalparks. Könemann Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2000. ISBN 3-8290-4876-9.
Die australischen AutorInnen haben Informationen, Fotos und Kartenmaterial von über 125 National- und Naturparks zusammengetragen. Der Vorteil dieses Werkes ist es vor allem, dass es sich nicht auf die Nationalparks beschränkt, sondern auch andere sehenswerte Naturreservate beschreibt. Außerdem enthält es mehr Karten- und Bildmaterial als das Buch von Lind/Niehues.

Eine gut ausgestattete Reiseapotheke ist empfehlenswert. Insbesondere sollte man ausreichende Mengen eines Antiallergikums, mit dem man bereits gute Erfahrung gemacht hat, mitnehmen, um den Juckreiz nach Mücken- und anderen Insektenstichen lindern zu können. Solche Medikamente sind in Australien nicht frei verkäuflich, und uns wollte man ersatzweise eine Cortisonsalbe verkaufen. Bei der nächsten Australienreise werden wir außerdem eine Zeckenzange mitnehmen.

Empfehlenswert ist es ebenfalls, ausreichend Rollstuhlwerkzeug und Reifenflickzeug mitzunehmen. Beruhigend ist es, dass die Australier sehr hilfsbereit sind und gut improvisieren können.

Vor Ort sind die lokalen Touristeninformationszentren gut ausgeschildert. Ein Besuch dort lohnt sich in der Regel, denn es gibt meist gutes Informationsmaterial. So haben wir auch zufällig die rollstuhlzugängliche Höhle bei Rockhampton entdeckt.

Nützliche Links
www.australien-info.de (Reiseanbieter, Fakten, Informationen, Literatur etc.) http://weather.yahoo.com (Wetterdaten von allen größeren Städten in Australien) Jeder Bundesstaat hat eine Nationalparkverwaltung mit eigener Homepage. Darauf sind die Parks beschrieben, teilweise mit detaillierten Informationen für behinderte BesucherInnen.

Vernetzen Sie sich mit uns:
Grenzenlos auf Facebook

Wir bedanken uns bei:
Bundes Ministerium für Gesundheit fff Bayern arbeitsgemeinschaft behinderung und medien Natko