Neuigkeiten aus Australien

Sigi Arnade (Rollstuhlfahrerin) und Günter Heiden (Fußgänger) sind von Juni bis Dezember 2003 sechs Monate lang durch Australien gefahren. Über ihre Recherchentour im vorigen Jahr und ihre Pläne für dieses Jahr haben sie uns in unserer Märzsendung ( Studiosendung / " Neue Wege, neue Ziele") berichtet. Ihre Erlebnisse haben sie uns monatlich per e-mail geschildert.

"Steady, Steady. The car will find it´s way" (Nur immer mit der Ruhe. Das Auto wird seinen Weg finden). Das erklärt uns ein dunkelhäutiger Mann, vermutlich Nachfahre der australischen Ureinwohner, der wohl eine unserer Flussdurchfahrten beobachtet hat. Wir befinden uns an der Grenze zwischen den Bundesstaaten "Northern Territory" und "Queensland" und sind rund 250 Kilometer auf dem "Savannah Way" von Borroloola aus fast schnurgerade nach Südosten gefahren. Die Schotterpiste an sich war nicht das Problem. Aber auf dieser Strecke hatten wir rund zehn Flüsse zu durchqueren, wobei der Untergrund nicht zu erkennen war und es teilweise steil hinein und wieder hinaus ging. Sowohl Günter als auch ich haben eher mehr als weniger Gas gegeben und sind nach dem Motto "Augen zu und durch" rumpelnd und Wasser nach allen Seiten verspritzend durch die Wasserläufe gebrettert. Wenn ich das Auto mit Schaltgetriebe fahre, vermeide ich sowieso größere Geschwindigkeitsschwankungen, da sonst Günter vom Beifahrersitz aus mit Hilfe einer meiner Stützen kuppeln und schalten muss. Außerdem erklären wir dem freundlichen Mann, dass wir immer befürchten, stecken zu bleiben und deshalb nicht wagen, langsam zu fahren.

Aber er beruhigt uns. Es werde immer jemand vorbeikommen und uns im Zweifelsfalle herausziehen. Eigentlich wissen wir das. Auch in einsamen Gegenden begegnet man mindestens einem Auto pro Stunde. Und die Hilfsbereitschaft der Australier haben wir auch schon kennengelernt: Als wir einen Platten hatten, hielten die vorbeifahrenden Autos, und die Insassen boten ihre Hilfe an.

Die Freundlichkeit der Australier gibt ein sicheres Gefühl, ist aber gleichzeitig unaufdringlich. Mir als Rollstuhlfahrerin wird oft Hilfe angeboten, aber ich habe nie das Gefühl von Bevormundung oder Übergriffigkeit. Als Günter und ich einen Tagesausflug zum Schnorcheln zum Great Barrier Reef machten, setzte sich auf der 1,5-stündigen Hinfahrt zum Riff ein Besatzungsmitglied zu uns an den Tisch und schlug vor, gemeinsam den mehr als dreistündigen Aufenthalt am Korallenriff zu planen. Er machte Vorschläge und erläuterte die Gegebenheiten vor Ort, die Entscheidungen aber überließ er mir beziehungsweise uns.

Wir wussten schon aus dem Buch des australischen Rollstuhlfahrers Bruce Cameron "Easy access Australia", dass die Linie "Quicksilver", die von Port Douglas oberhalb von Cairns aus startet, auf ihrem modernsten Schiff eine Rollstuhltoilette hat, in der man sich auch umziehen sollte, da die Umkleidekabinen zu eng sind. Nach der Hinfahrt legt das Schiff auf hoher See an einem Ponton an. Hier draußen gibt es größere zusammenhängende Riffabschnitte als in der Nähe des Festlands. Vom Ponton aus kann man die bunte Korallenwelt schnorchelnd oder tauchend oder in einem Unterwasserobservatorium oder von einer Art U-Boot aus erleben. Die beiden letzten Möglichkeiten schieden wegen steiler, enger Treppen für mich aus, aber das direkte Schnorchelerlebnis wurde durch einen Lift, der mich in einem Plastikstuhl ins Meer beförderte, erheblich erleichtert. Dann konnte ich mit Tauscherbrille und Schnorchel auf dem Wasser liegen und unter mir die Korallen und bunten Fische beobachten - ein phantastisches, faszinierendes Erlebnis!

Davon wollten wir mehr haben und verbrachten drei Tage auf Magnetic Island, einer Insel in der Korallensee, die nur acht Kilometer vom Festland entfernt und auch per Autofähre zu erreichen ist. Wir schnorchelten jeweils eine Stunde vor oder nach Ebbe am einem strandnahen Korallenriff und waren jedesmal begeistert. Das Wasser war aber so kalt, dass wir immer spätestens nach einer halben Stunde durchgefroren waren.

Hier an der Ostküste präsentieren sich Australiens Tropen sowieso kühler und regnerischer, als wir das erwartet hatten. Als wir nördlich von Cairns im Daintree Nationalpark den Regenwald besichtigen wollten, machte dieser seinem Namen alle Ehre: Während in allen anderen Landesteilen von Queensland die Sonne schien, wurden wir auf unseren Streifzügen durch den Regenwald pitschnass. Es war dennoch ein großartig, sich zwischen Farnbäumen, Palmen und Würgefeigen zu bewegen und den Geräuschen der "Wet Tropics" zu lauschen, zu denen eben auch ein ständiges Plätschern gehört. Kein Wunder, dass zur Erkundung des Regenwaldes überall Holzbohlenwege zwischen 400 und 1200 Metern Länge angelegt wurden, denn sonst würden die BesucherInnen im Matsch oder Sumpf versinken. Für mich mit meinem Handbike vor dem Rollstuhl sind diese Wege natürlich ideal. Per Handbike konnte ich mit Günter im Daintree Nationalpark auch eine Strandwanderung unternehmen, als es einmal nicht regnete. Dort geht der Regenwald sozusagen nahtlos in die Korallensee über.

Mit der "Skyrail", einer 7,5 Kilometer langen Seilbahn bei Cairns, kann man den Regenwald auch von oben betrachten. Mit rollstuhlnutzenden Fahrgästen wird hier gerechnet. So gibt es entsprechende Toiletten. Da die Gondeltüren nur 61 Zentimeter breit sind, stehen für Gäste mit breiteren Rollstühlen schmale Leihrollstühle bereit, in die man sich umsetzen kann, um so den Regenwald von oben zu erleben. Auf dieser Fahrt haben wir auch einen leuchtend blauen Ulysses-Falter entdeckt, einen ganz großen Schmetterling.

Inzwischen haben wir schon viel von Australiens einmaliger Fauna gesehen. In Nationalparks hüpfen Kängurus morgens und abends über die Wege oder kommen bei Dunkelheit auf den Campingplatz. Wir haben immer eine Taschenlampe griffbereit, um die nachtaktiven Beuteltiere entdecken zu können. So ist es uns schon gelungen, neben den "normalen" Kängurus einen Nasenbeutler und ein Bürstenkänguru, beide etwa so groß wie ein Dackel, zu sichten. Sogar das seltene Moschusrattenkänguru hüpfte uns auf einem Spaziergang über den Weg. Es gibt Kängurus in vielen verschiedenen Formen und Größen. Gemeinsam sind ihnen die kurzen Vorder- und langen, kräftigen Hinterbeine, sowie der Beutel, in dem die Jungen sind entwickeln.

Das Beobachten von Tieren trägt bei uns zur Entspannung und inneren Gelassenheit bei. Wenn einer von uns dennoch in die gewohnte Alltagshektik verfällt und anfängt, Stress zu verbreiten, lässt ein "Steady, steady" des oder der jeweils anderen nicht lange auf sich warten. So ist "steady, steady" unwiederbringlich in unseren Wortschatz eingegangen.

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